Austrittsgespräche – „Reisende soll man ziehen lassen“

Wer weg ist, ist weg?

In vielen Unternehmen herrscht heute noch die Meinung, dass es im HR-Management keinen professionellen Austrittsprozess braucht. Die Geschäftsleitung ordnet sogar manchmal an, Mitarbeitenden, die das Unternehmen verlassen, weniger Aufmerksamkeit zu geben. Meine positiven Erfahrungen als ehemalige Personalreferentin gehen genau in die gegensätzliche Richtung…

Professionelles Trennungsmanagement– Arbeitnehmende brauchen Wertschätzung

Gerade, wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, ist der Fokus auf einen guten und fairen HR-Prozess und ein professionelles Trennungsmanagement zu legen. Ich differenziere hier nicht danach, ob jemand gekündigt wurde oder selbst kündigt, noch ob jemand in Pension geht oder der befristete Vertrag ausläuft. Ausgenommen sind fristlose Entlassungen, die aufgrund eindeutiger Verfehlungen entstehen. Jedes Unternehmen sollte einen Personalbetreuungsprozess institutionalisiert haben, welcher zur offenen Unternehmenskultur beiträgt. Ein wertschätzendes Austrittsgespräch prägt die Kultur und kann für Ihr Unternehmen sehr förderlich und augenöffnend sein.

Der Begriff des „EXIT- Interviews“ wird häufig im Zusammenhang mit Austrittgesprächen genutzt, ich finde ihn unglücklich und wenig wertschätzend gewählt, deshalb spreche ich vom Trennungsmanagement. Grundsätzlich sollten diese Gespräche keine Angst auslösen und positiv besetzt sein. Selbst Kündigungsgründe, die auf der einen oder anderen Seite eine persönliche Verletzung oder Nichtverständnis auslösen, sollten durch einen professionellen und wertschätzenden Prozess abgefangen werden. Gleichzeitig gilt es jedoch auch hier, absolute Fairness und Korrektheit mit klaren Absprachen zu bewahren.

Aktive Einbindung in der Abschiedsphase

Mitarbeitende in Trennung erleben oft einen unschönen Abschied, bis hin zur kompletten Missachtung. Insbesondere bei langen Kündigungsfristen kann die letzte Zeit für den Mitarbeitenden zu einer großen psychischen Herausforderung werden. Wertschätzung und Anerkennung gegenüber dem Menschen für geleistete Arbeit ist hier unbedingt angebracht.

Es kommt sonst häufig dazu dass, wichtige Informationen nicht mehr weitergeleitet und die Austretenden werden sogar frühzeitig aus dem E-Mail Verteiler gelöscht. Da passiert es, dass unternehmensrelevante Informationen einfach an dir und dem Team vorbeigehen. Eine Kette von Missverständnissen ist die Folge. Mitarbeitende in Trennung sind dann nicht im Bilde und können ihre Aufgaben deshalb nicht vollumfänglich abschließen oder übergeben. Dies kann dem Unternehmen einen enormen Imageschaden zuführen, denn auch die Kundschaft und das Kellegium nehmen diese „eingeschränkte Dienstleistung“ wahr und interpretieren dies mitunter negativ.

Die machtlose Führungskraft

Manche Führungskräfte nehmen es sogar persönlich, wenn Mitarbeitende aktiv das Unternehmen wechseln oder andere Wege einschlagen und kündigen. Führungskräfte bemühen sich um die Mitarbeitenden, bis die Würfel endgültig gefallen sind, eine Kündigung unausweichlich ist. Danach werden die Mitarbeitenden in Trennung teilweise sogar ignoriert oder missachtet. Mitarbeitende, die einen Austritt dieser Art erleben, haben gewöhnlich eine höhere Abwesenheitsrate bzw. Fehlzeiten. Sie sind in der Austrittszeit unproduktiver als in der Zeit davor. Sie übergeben ihr Know-how nicht vollständig, sondern behalten es bewusst oder unbewusst zurück.

Springe über deinen Schatten, sei vorbildlich und initiiere einen professionellen Prozess des Trennungsmanagements! Du kannst  diese Gespräche auch in externe Hände geben.

Deine Chance – Der Austritt als perfektes Personalmarketing

Mitarbeitende, die das Unternehmen im Guten verlassen, können immer noch sehr viel zu dem Erfolg der Firma beitragen. Es wäre doch viel sinnvoller, bei diesen Personen einen positiven Eindruck zu hinterlassen, denn man sieht sich bekanntlich immer mindestens zweimal im Leben. Bleibe in guter Erinnerung! Du kannst bei einem Abschied im Guten darum bitten, dass auf Foren für Arbeitgeberbewertungen wie z.B. Kununu ein positives Feedback hinterlassen wird und dein Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber präsentiert wird. Das sorgt bei deiner Fachkräftegewinnung auch für ein positives Arbeitgeberimage und ist für dich kostenloses Marketing. Andererseits können Kündigungen auch dem Unternehmen schaden, wenn der Austritt unfair wird. Sei es, dass die Mitarbeitenden in Trennung die Gerüchteküche anheizen, oder bei den bleibenden Teammitgliedern negative Emotionen verursachen – was wiederum deiner Arbeitgebermarke schadet.

Mitarbeitende in Trennung, wissen einen korrekten, wertschätzenden Austrittsprozess zu schätzen. Ehemalige Mitarbeitende erzählen ihrem neuen Kollegium, wie auch Freunden oder der Familie, wie dieser wichtige HR-Prozess verlaufen ist. Auch deine Kundschaft und die Presse realisieren sehr oft, wie mit Ehemaligen umgegangen wird.

Wie wirke ich dem Fachkräftemangel durch Empfehlungen entgegen?

Fakt ist: Es gibt viele Fachkräfte auf dem Markt, doch sie sind nicht in den suchenden Unternehmen! Begehrte Arbeitgeber machen sich keine Gedanken über Fachkräftemangel!

Der Arbeitsmarkt kämpft um gute Mitarbeitende und Talente und ist mehr und mehr auf Empfehlungen von Mitarbeitende angewiesen. Diese können auch durch eben diese Mitarbeitende in Trennung geschehen. Auch noch Monate später kannst du bei ehemaligen Mitarbeitenden anfragen, um Informationen und Details rund um vorher bestehende Kunden oder abgegebene Projekte zu erhalten. Mitarbeitende, die einen guten und fairen Austrittsprozess durchlaufen haben, werden Informationen bereitwillig weitergeben.

Insbesondere während der Fachkräftesuche zeichnet sich eine gute Unternehmenskultur durch die Pflege und dem Umgang mit Ehemaligen aus. Vielleicht hast du auch die Chance, dass hochqualifizierte Mitarbeitende wieder zurück zu deinem Unternehmen kommen. Vielleicht entsprechen die Eindrücke im neuen Unternehmen nicht den vorherigen Versprechungen und Vorstellungen und während der Probezeit wird über eine Rückkehr nachgedacht.

Auch die Einarbeitung der nachfolgenden Neubesetzungen erfolgt durch die Reisenden mit Wohlwollen und bestenfalls findet ein guter Know-how-Transfer statt. Gut geführte Austrittsgespräche sind unbezahlbar. Grundsätzlich möchten auch sich trennende Mitarbeitende ihr Wissen weitergeben und sicher sein, dass es auch ohne sie gut weiterläuft. Sie wollen gewöhnlich einen Schlussstrich ziehen, aber dem Arbeitgeber ganz bestimmt keinen Schaden zufügen. Viele gehen wirklich im Guten! Trag dazu bei! Im Gegenzug erleben neu eigestellte Mitarbeitende eine exzellente Einarbeitung und kann somit besser und schneller produktiv sein. Solche wertschätzenden Personalprozesse formen deine Unternehmenskultur und ein gelungenes Trennungsmanagement.

Wie du der Abwanderung qualifizierter Mitarbeitenden entgegenwirken kannst, erfährst du in meinem Blogartikel zur Arbeitgebermarke

Wie kommuniziere ich wertschätzend?

Erläutere zunächst den ausscheidenden Mitarbeitenden den Sinn des Gespräches. Du verdeutlichst, dass du an Aussagen zu positiven Aspekten und möglichen Schwachstellen im Unternehmen interessiert bist, bringst vor allem Wertschätzung entgegen. Ferner kann durch die Hinweise ein wichtigen Beitrag dazu geleistet werden, um die Arbeitsbedingungen der  Kollegen zu verbessern. Dies wird die Gesprächsbereitschaft in der Regel zusätzlich erhöhen.

Für das Gespräch sollte ein Termin im Vorfeld vereinbart werden, sodass sich betroffene Mitarbeitende darauf vorbereiten können. Alle Regeln für eine optimale Gesprächsatmosphäre wie ein ausreichender Zeitrahmen, eine abgeschlossene Räumlichkeit und keine Störungen während des Gespräches gilt es zu berücksichtigen, um Vertraulichkeit sicherzustellen.

Welchen Fragen sind in Austrittsgesprächen sinnvoll und hilfreich? 

Es ist wichtig, dass der Prozess transparent für die Mitarbeitenden gestaltet wird. Informiere  über die Vorgehensweise und die Verwendung der gemachten Angaben, wer in welcher Form von den Aussagen in Kenntnis gesetzt wird und was die weiteren Schritte im Prozess sein werden. Das Gespräch ist für die Betroffenen freiwillig. Danke den befragten Personen für die Gesprächsbereitschaft und die Nennung von Verbesserungspotenzialen. Nur wenn Mitarbeitende wissen, was mit ihren Aussagen geschieht, können sie frei entscheiden, was und in welcher Form sie dies äußern möchten.

Offene Fragen, auch „W“ und „I“ Fragen genannt (Wie, Warum, Wozu, Inwieweit, Inwiefern etc.) regen dazu an, Sachverhalte näher zu beschreiben und damit den Informationsgehalt zu erhöhen.

  • Austrittsgespräch mit Vorgesetzten
  • Austrittsgespräch mit dem HR

Gespräch mit der Führungskraft

Hier gilt es, einen gemeinsamen Rückblick zu machen, offene Fragen zu Aufgaben, Aufträgen, Kundschaft und Organisation zu klären und gemeinsam abzuschließen. Ebenso werden Informationen zu Projekten und Statusmeldungen festgehalten. Die Führungskraft sollte sich ein umfassendes Bild zu den offenen Aufgaben/ to do´s des  Mitarbeitenden machen können. Dazu gehört auch, dass möglichst weit im Vorfeld bestimmt wird, wie Resturlaubstage abgebaut werden, wie das Gleitzeitkonto ausschaut, und wie nun der letzte Arbeitstag und die vorherige Übergabe abgeschlossen wird.

Das Gespräch dient nicht, um die Aussagen des Mitarbeitenden zu kommentieren und ihn in eine Diskussion zu verwickeln. Rechtfertigungen sind fehl am Platze!

Das Austrittsgespräch mit der HR Abteilung

Hier steht das offene, ehrliche Feedback zu verschiedenen Kernthemen wie Arbeitszeit, Lohn, Kommunikation, Information, Weiterentwicklungsmöglichkeiten, Führung, Team, Kultur u.s.w im Vordergrund. Das ist die große Chance für das Unternehmen, eine ehrliche Meinung zu erhalten. Jetzt werden mögliche Schwachstellen und Missstände offenkundig. Nutze diese Informationen, um die Wirksamkeit den Unternehmens zu optimieren. Die Aussagen aller Ehemaligen, z.B. auf ein Jahr ausgewertet, zeigen klar auf, welche Verbesserungsmaßnahmen angegangen werden sollten. Das können Themen zur Mitarbeiterbindung, die Mitarbeitergewinnung und -entwicklung wie auch zur Ablauforganisation sein.

Optimierungen und Verbesserungen sind damit langfristig möglich. Idealerweise wertet HR die Austrittsgespräche jährlich statistisch aus.

Welche Vorteile haben Austrittsgespräche für die Führungskraft und Geschäftsführung?

  • Vermeidung künftiger Kündigungen aus immer wiederkehrenden Gründen
  • Steigerung der Mitarbeiterbindung und Zufriedenheit
  • Transparenz von Führungsschwächen
  • Aufgreifen von offen formulierten Verbesserungsvorschlägen
  • Ideen für mögliche Maßnahmen
  • Einblick in die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt
  • Verbesserung der Arbeitgebermarke
  • Entgegenwirken der Fachkräftesuche

Der wertschätzende Abschied

Darüber hinaus ist es wichtig, wie deine Arbeitnehmenden letztendlich verabschiedet werden. Wie ist die Information im Unternehmen zum Austritt? Wann und wie wird intern informiert? Erfolgt nur eine kurze, sachliche Information im Intranet oder wird im freundlichen Rahmen verabschiedet? Egal für welche Form der wertschätzenden Verabschiedung du dich entscheidest, die Wirkung auf die Bleibenden und auf den scheidenden Mitarbeitenden wird damit geprägt.

Ein Tipp aus meiner Personalerfahrung: Frag welche Art des Abschieds gewünscht wird. Es kann durchaus kontraproduktiv sein, wenn es für Betroffene eher eine unangenehme Veranstaltung bedeutet. Es soll und muss eine Win-Win-Situation sein.

Wann ist ein guter Zeitpunkt für das Austrittsgespräch?

Überreiche das Abschlusszeugnis pünktlich zum vertraglichen Arbeitsende. Das Austrittsgespräch darf hierbei keinerlei Einfluss auf das Zeugnis haben. Daher ist es wertvoll, das Austrittsgespräch am letzten Tag bzw. in der letzten Arbeitswoche zu führen und das Zeugnis zeitlich vorher zu übergeben.

Abschließend möchte ich Michel de Montaigne (französischer Philosoph) zitieren:

„Ein Abschied verleitet immer dazu, etwas zu sagen, was man sonst nicht ausgesprochen hätte“.

Wenn Sie du deine Arbeitgebermarke durch Austrittsgespräche verbessern möchtest, Unterstützung bei der Initiierung eines Trennungsmanagementprozesses kontaktiere mich! Ich unterstütze dich gern dabei!