Keine Angst vor Kündigungen im Kulturwandel

Viele Organisationen, die einen Kulturwandel anstreben, fürchten Kündigungen langjähriger Mitarbeitenden. Denn wenn sich die Kultur spürbar verändert, will tatsächlich nicht mehr jeder bleiben. Das ist ganz natürlich und auch wenn Kündigungen nicht schön sind, sind sie manchmal nicht zu verhindern. Schließlich können nicht alle Menschen mit veränderten Arbeits- und Machtverhältnissen umgehen. Anstatt den notwendigen Kulturwandel zu hinterfragen, lohnt sich ein Blick darauf, wie wir mit Kündigungen umgehen wollen.

Während oft die Meinung vorherrscht, es bräuchte nur ein Kündigungsgespräch und keinen professionellen Austrittsprozess, gehen meine positiven Erfahrungen aus vielen verschiedenen Organisationen und als ehemalige Personalreferentin genau in die gegensätzliche Richtung.

Muss ein Kulturwandel zwangsläufig Kündigungen mit sich bringen?

Du hast gute Gründe dafür, einen Kulturwandel anzustoßen. In unserer heutigen schnelllebigen Welt müssen sich Organisationen anders aufstellen, um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können. Selbstorganisierte Teams und gar hierarchiefreie Strukturen erlauben echte Agilität, die Organisationen selbst in stürmischen Zeiten sicher über Wasser halten. Oftmals bedeutet ein solcher Kulturwandel aber massive Veränderungen in der Arbeitsweise der Mitarbeitenden. Während viele diese neugewonnenen Freiheiten begrüßen, gibt es auch Mitarbeitende, die dem Kulturwandel skeptisch gegenüberstehen.

Ich empfehle unbedingt, den Kulturwandel von einem Team aus People und Culture ManagerInnen begleiten zu lassen. Sie können der Belegschaft über verschiedene Methoden nahebringen, was die Änderungen für sie konkret bedeuten und welche Vorteile diese mit sich bringen. Einige SkeptikerInnen lassen sich bereits überzeugen, wenn sie den Reason Why und ihre persönliche Chancen erkennen können. Andere halten jedoch auch nach intensiven Gesprächen an ihrer Meinung fest, dieser Kulturwandel sei nichts für sie.

Kündigungen können auch der Organisation schaden, wenn der Austritt unfair wird. Sei es, dass die Mitarbeitenden in Trennung die Gerüchteküche anheizen oder bei den bleibenden Teammitgliedern negative Emotionen verursachen. Das schadet nicht nur deiner Arbeitgebermarke, sondern auch deinen Ambitionen bezüglich des anstehenden Kulturwandels. Bevor diese Personen innerhalb der Organisation schlechte Stimmung verbreiten, sollte gemeinsam überlegt werden, ob eine Trennung ein richtiger Weg wäre. Denn bevor diese Mitarbeitenden zum Boykott aufrufen, können beide Seiten von einer Kündigung profitieren.

Durch aufklärende und empathische Gespräche können sich jene Mitarbeitenden, die nicht vom anstehenden Kulturwandel begeistert sind, überzeugen lassen. Doch das gelingt nicht immer und Kündigungen werden dann unvermeidbar. Dennoch: Wie Du mit diesen Kündigungen – unabhängig davon, wer sie ausspricht – umgehst, ist nicht irrelevant.

Trennungsmanagement als Teil eines gelingenden Kulturwandels

Kündigungen erfordern einen guten und fairen HR-Prozess und ein professionelles Trennungsmanagement. Beim Offboarding differenziere ich nicht danach, ob jemand gekündigt wurde oder selbst kündigt, noch ob jemand in Pension geht oder der befristete Vertrag ausläuft. Ausgenommen sind fristlose Entlassungen, die aufgrund eindeutiger Verfehlungen entstehen. Ein wertschätzendes Austrittsgespräch prägt die Kultur und kann für deine Organisation sehr förderlich und augenöffnend sein.

Häufig im Zusammenhang mit Austrittsgesprächen der Begriff des „EXIT-Gespräche“ genutzt. Ich finde ihn unglücklich und wenig wertschätzend gewählt, deshalb spreche ich vom Trennungsmanagement oder OffBoarding. Grundsätzlich sollten diese Gespräche keine Angst auslösen, sondern positiv besetzt sein. Selbst wenn du vom geplanten Kulturwandel begeistert bist und nicht verstehst, warum dein Gegenüber diese Begeisterung nicht teilt, sondern stattdessen kündigen möchte, sollte dieses Unverständnis durch einen professionellen und wertschätzenden Prozess abgefangen werden. Gleichzeitig gilt auch hier, absolute Fairness und Korrektheit mit klaren Absprachen zu bewahren.

Das wertschätzende Austrittsgespräch

Wenn bereits klärende Gespräche mit Mitarbeitenden stattgefunden haben, bevor es zur Kündigung gekommen ist, ist in dem OffBoardingGespräch ein gemeinsamer Rückblick ist sinnvoll, in dem offene Fragen zu Aufgaben, Aufträgen, Kundschaft und Organisationsprozessen geklärt und gemeinsam abgeschlossen werden. Ebenso werden Informationen zu Projekten und Statusmeldungen festgehalten. Die Führungskraft sollte sich ein umfassendes Bild zu den offenen Aufgaben/ To-dos des Mitarbeitenden machen können. Dazu gehört auch, dass möglichst weit im Vorfeld bestimmt wird, wie Resturlaubstage abgebaut werden, wie das Gleitzeitkonto ausschaut und wie nun der letzte Arbeitstag und die vorherige Übergabe abgeschlossen werden.

Das Gespräch dient nicht, um die Aussagen des Mitarbeitenden zu kommentieren und ihn in eine Diskussion zu verwickeln. Rechtfertigungen sind fehl am Platze! Die Entscheidung ist bereits auf beiden Seiten gefallen. Das solltest du respektieren.

Darüber hinaus ist es wichtig, wie deine Arbeitnehmenden letztendlich verabschiedet werden. Wie ist die Information im Unternehmen zum Austritt? Wann und wie wird intern informiert? Erfolgt nur eine kurze, sachliche Information im Intranet oder wird im freundlichen Rahmen verabschiedet? Egal, für welche Form der wertschätzenden Verabschiedung ihr euch entscheidet, die Wirkung auf die Bleibenden und auf den scheidenden Mitarbeitenden wird damit geprägt.

Ein Tipp aus meiner Personalerfahrung: Frage ganz direkt, welche Art des Abschieds gewünscht wird. Es kann durchaus kontraproduktiv sein, wenn es für Betroffene eher eine unangenehme Veranstaltung bedeutet. Es soll und muss eine wertschätzende Situation sein.

Wann ist ein guter Zeitpunkt für das Austrittsgespräch?

Überreiche das Abschlusszeugnis pünktlich zum vertraglichen Arbeitsende. Das Austrittsgespräch darf hierbei keinerlei Einfluss auf das Zeugnis haben. Daher ist es wertvoll, das Austrittsgespräch am letzten Tag bzw. in der letzten Arbeitswoche zu führen und das Zeugnis zeitlich vorher zu übergeben.

Wertschätzung auch in der Abschiedsphase

Mitarbeitende, die gekündigt haben oder denen die Kündigung von Organisationsseite ausgesprochen wurde, erleben oft einen unschönen Abschied bis hin zur kompletten Missachtung. Insbesondere bei langen Kündigungsfristen kann die letzte Zeit für den Mitarbeitenden zu einer großen psychischen Herausforderung werden. Wertschätzung und Anerkennung gegenüber dem Menschen für die geleistete Arbeit ist hier unbedingt angebracht.

Es kommt in misslungenen Fällen dazu, dass wichtige Informationen nicht mehr weitergeleitet und die Austretenden sogar frühzeitig aus dem E-Mail-Verteiler gelöscht werden. Dann kann es passieren, dass organisationsrelevante Informationen an dir und dem Team vorbeigehen. Eine Kette von Missverständnissen ist die Folge. Mitarbeitende in Trennung sind dann nicht mehr im Bilde und können ihre Aufgaben deshalb nicht vollumfänglich abschließen oder übergeben. Dies kann der Organisation einen enormen Imageschaden zuführen, denn auch die Kundschaft und das Kollegium nehmen diese „eingeschränkte Dienstleistung“ wahr und interpretieren sie mitunter negativ.

Verständnis für die Kündigung

Manche Führungskräfte nehmen es sogar persönlich, wenn Mitarbeitende aktiv die Organisation wechseln oder andere Wege einschlagen und kündigen. Führungskräfte bemühen sich oft um die Mitarbeitenden, bis die Würfel endgültig gefallen sind, eine Kündigung unausweichlich ist. Danach werden die Mitarbeitenden in Trennung teilweise sogar ignoriert oder missachtet. Mitarbeitende, die einen Austritt dieser Art erleben, haben gewöhnlich eine höhere Abwesenheitsrate bzw. Fehlzeiten. Sie sind in der Austrittszeit unproduktiver als in der Zeit davor. Sie übergeben ihr Know-how nicht vollständig, sondern behalten es bewusst oder unbewusst zurück.

Springe über deinen Schatten, sei vorbildlich und initiiere einen professionellen Prozess des Trennungsmanagements!

Wenn Mitarbeitende die Initiative zur Kündigung ergreifen

Manche Mitarbeitende fühlen sich sehr unwohl dabei, wenn sie kündigen. Womöglich fühlen sie sich schuldig oder sie empfinden den bevorstehenden Kulturwandel, der der Grund für die Kündigung war, als Affront gegen sie selbst. Dann werden sie manchmal kühl und distanzieren sich von KollegInnen, Vorgesetzten und der Organisation insgesamt. Versuche, dieses Verhalten empathisch zu verstehen und gehe auf Mitarbeitende zu, die sich plötzlich von einer ganz anderen Seite zeigen. Du kannst ihnen das Schuldgefühl nehmen, indem du versicherst, dass du die Entscheidung verstehen kannst und sie ihnen nicht übelnimmst. Du kannst auch – mit Hilfe der People und Culture ManagerInnen – nochmal deine Beweggründe für den Kulturwandel aufzeigen, die in einer zukunftsfähigen Aufstellung der Organisation und ihrer Mitarbeitenden bestehen.

Der Austritt als perfektes Personalmarketing

Wie ich bereits erwähnt habe, hast du im Idealfall ja bereits mit den kündigenden Mitarbeitenden zuvor Gespräche über eure gegensätzliche Meinung zum Kulturwandel geführt. Dabei seid ihr zu dem Schluss gekommen, dass eine Trennung für beide Seiten die beste Lösung ist. Verlassen diese Mitarbeitenden die Organisation also im Guten, können sie immer noch sehr viel zu dem Erfolg der Firma beitragen. Außerdem: Man sieht sich bekanntlich immer mindestens zweimal im Leben. Bleibe also in guter Erinnerung! Du kannst bei einem Abschied im Guten darum bitten, dass auf Foren für Arbeitgeberbewertungen wie z. B. Kununu ein positives Feedback hinterlassen wird und deine Organisation als attraktive ArbeitgeberIn präsentiert wird. Das sorgt bei deiner Fachkräftegewinnung auch für ein positives Arbeitgeberimage und fungiert somit als kostenloses Marketing.

Grundsätzlich möchten auch sich trennende Mitarbeitende ihr Wissen weitergeben und sicher sein, dass es auch ohne sie gut weiterläuft. Sie wollen gewöhnlich einen Schlussstrich ziehen, aber dem Arbeitgebenden ganz bestimmt keinen Schaden zufügen. Viele gehen wirklich im Guten! Trage dazu bei! Solche wertschätzenden Personalprozesse formen deine Organisationskultur.

Mitarbeitende in Trennung wissen einen korrekten, wertschätzenden Austrittsprozess zu schätzen. Ehemalige Mitarbeitende erzählen ihrem neuen Kollegium wie auch Freunden oder der Familie, wie dieser wichtige Prozess verlaufen ist. Auch deine Kundschaft und die Presse nehmen sehr oft wahr, wie mit Ehemaligen umgegangen wird.

Auch noch Monate später kannst du bei ehemaligen Mitarbeitenden anfragen, um Informationen und Details rund um vorher bestehende Kunden oder abgegebene Projekte zu erhalten. Mitarbeitende, die einen guten und fairen Austrittsprozess durchlaufen haben, werden Informationen bereitwillig weitergeben.

Was tun, wenn zum Fachkräftemangel auch noch Kündigungen hinzukommen?

Fakt ist: Es gibt viele Fachkräfte auf dem Markt, doch sie sind nicht in den suchenden Organisationen! Begehrte Arbeitgebende haben den Kulturwandel bereits angestoßen und machen sich daher keine oder weniger Gedanken über einen Fachkräftemangel.

Da du mit deinem Kulturwandel ebenfalls auf dem Weg bist, eine attraktive Arbeitgebermarke zu werden, die den Bedürfnissen heutiger Mitarbeitenden gerecht wird, brauchst du dir auch keine Sorgen um ein paar wenige Kündigungen machen. Sobald sich herumgesprochen hat, dass deine Organisation die Anforderungen der Fachkräfte erfüllt, und du die Organisationskultur aktiv in Stellenausschreibungen bewirbst, wird sich dein Stand im „War for Talents“ rapide verbessern.

Doch auch Empfehlungen von ehemaligen Mitarbeitenden können deine Chancen auf dem „Bewerbermarkt“ erhöhen. Insbesondere während der Fachkräftesuche zeichnet sich eine gute Organisationskultur durch die Pflege und den Umgang mit Ehemaligen aus. Vielleicht hast du auch die Chance, dass hochqualifizierte Mitarbeitende wieder zurück zu deiner Organisation kommen, wenn sie erst gesehen haben, wie sich der Kulturwandel positiv ausgewirkt hat.

Wie du der Abwanderung qualifizierter Mitarbeitenden entgegenwirken kannst, erfährst du in meinem Blogartikel zur Arbeitgebermarke.

Abschließend möchte ich Michel de Montaigne (französischer Philosoph) zitieren:

„Ein Abschied verleitet immer dazu, etwas zu sagen, was man sonst nicht ausgesprochen hätte“.

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